November 2005
Mittwoch, der 16.11.2005
Lange Zeit war es schon im Gespräch, dass ich für meine Firma für ein
Weilchen nach Shanghai gehen soll. Der Zeitpunkt, wann es losgehen soll, war
aber bislang noch offen. Jetzt wird es konkret. Mein Chef hat mir eröffnet,
dass kurzfristig Verstärkung gebraucht wird. Nach kurzen Verhandlungen
einigen wir uns darauf, dass ich noch eine Woche brauche, um meine Zelte in
Gifhorn abzubrechen.
Die verbleibende Woche stehe ich nur unter Strom. Es gilt alles zu regeln,
die Wohnung aufzulösen und natürlich mich von allen Leuten zu verabschieden.
Letzteres schaffe ich in der kurzen Zeit leider nicht in dem erhofften
Ausmaß...
Donnerstag, der 24.11.2005
Heute ist es soweit. Es geht los nach China. Die letzte Nacht in Deutschland
habe ich bei meinen Eltern verbracht, die mich mit meiner Schwester zusammen
zum Flughafen bringen. Den Morgen hüpfe ich wie ein Erdmännchen auf LSD
durch die Gegend, aber glücklicherweise habe ich ja genug Ärzte in meinem
Umfeld, die das ganze als harmlos abtun.
Um 12:05 startet mein Flieger von Hannover in Richtung Kopenhagen. Dort wird
mir wohl zum ersten Mal bewusst, was ich da alles hinter mir lasse. Und dass
ich keine Ahnung habe, was mich erwartet! Aber nun muss ich da durch. Das
ungemütliche Herbstwetter in Kopenhagen trägt allerdings nicht gerade
erhellend zur Stimmung bei.
Der Flug an sich verläuft eher unspektakulär. Neben mir sitzt ein Schwede,
der die meiste Zeit schläft, so daß ich in Ruhe schlechte Filme schauen,
oder aber in meinem Shanghaikrimi lesen kann.
Freitag, der 25.11.2005
Aus dem Flieger kann ich einen ersten Eindruck von China gewinnen. Alles
scheint am Reißbrett entworfen zu sein, da gerade Linien bzw. rechteckige
Flächen vorherrschen. Außerdem sieht es einheitlich grau-braun aus, aber das
könnte auch an der Jahreszeit liegen. Amerika im Januar sah genauso aus.
Die Einreise funktioniert problemlos. Zum Glück holt Thomas (ein Kollege aus
meiner Abteilung, der schon drei Monate hier ist) mich ab, denn sonst hätte
ich ein echtes Problem mit dem Taxifahrer. Ich muss nämlich recht schnell
feststellen, dass die Sprachbarriere sehr viel größer ist als angenommen.
Nur sehr wenige Taxifahrer können Englisch. Aus diesem Grund habe ich in der
Firma extra einen Zettel mit Adressen in chinesischen Schriftzeichen
bekommen, dort stehen aber nur die dienstlichen Adressen drauf und da es
schon nach eins ist, muss ich nicht als erstes in Büro stürzen. Die Fahrt
ist recht rasant. Einzelheiten zum Autofahren in China unter
Specials.
Das Wetter ist angenehm. Die Sonne scheint, wenn es nicht so diesig wäre
könnte man von strahlend blauem Himmel reden (meistens hängt über Shanghai
so eine Dunstglocke, die Sicht ist selten wirklich gut) und die Temperaturen
sind recht mild, so dass man nicht unbedingt eine Jacke bräuchte.
Am Anfang wohne ich erst einmal bei
Thomas, bis ich mein eigenes Appartement bekomme. Ich hätte auch ins Hotel
gehen können, aber Thomas hat ein recht großes Appartement, so dass sich
diese Lösung für die Übergangszeit anbietet. Kaum in der Wohnung angekommen
ziehe ich mit Thomas los. Zuerst um Wasser zu kaufen. Die Verständigung mit
Händen und Füßen läuft schleppend, aber um vier sollen wir zwecks
Anlieferung wieder in der Wohnung sein. Also haben wir noch Zeit zur Post zu
gehen, wo Thomas ein Paket abholen will. Dort wird man quer durch das
Gebäude geschickt, in einen Raum, wo ziemlich viele Chinesen an den Tischen
sitzen. Einige falten Zeitungen, andere haben den Kopf auf den Tisch gelegt
und schlafen, einer liegt sogar auf dem Tisch mit einem Stapel Zeitungen
unter dem Kopf. Aber dass ein kleiner Büroschlaf in China ganz normal ist,
lerne ich ziemlich schnell.
Zurück in der Wohnung lässt die Wasserlieferung auf sich warten, um fünf
fragen wir noch einmal nach, wobei sich herausstellt, dass die Flasche
falsch geliefert worden ist. Die nächste Lieferung wird für halb sechs
angekündigt. Thomas und ich wollen um halb sieben gerade runtergehen um
erneut nachzufragen, als sie endlich eintrifft.
Anschließend ein kurzer Einkauf beim Carrefour. Hier bekommt man fast alles,
Details zum Thema Einkaufen unter Specials.
Das anschließende Essen findet nur zu zweit statt, da Andreas nicht
erreichbar ist. Mein erstes chinesisches Essen ist ganz gut, sogar mit den
Stäbchen kann ich mich anfreunden. Das Überleben ist noch nicht gesichert,
scheint aber möglich zu sein...
Samstag, der 26.11.2005
Aufgrund der Zeitumstellung kann ich mich erst mittags aus dem Bett schälen.
Im Winter ist China sieben Stunden voraus, meine innere Uhr steht also noch
auf mitten in der Nacht. Nach dem Frühstück bummele ich mit Thomas über den
Fake-Market. Im Anschluss geht es in unsere Stammkneipe, welche sich durch
ein recht ordentliches Biersortiment, englisch sprechende Bedienungen und
einen Kicker auszeichnet. Gegen die Mädels zu gewinnen ist auch eine echte
Herausforderung, wie ich bald feststellen muss…
Sonntag, der 27.11.2005
Da ich verschlafen habe, sind die anderen schon zum Brunchen aufgebrochen.
Also mache ich mich alleine auf den Weg in die City. Zuerst mit der Metro
zum People’s Square. Die Metro ist relativ voll, allerdings ist das Gedränge
noch nicht ganz so schlimm, wie ich es mir aufgrund von Erzählungen
ausgemalt hatte. Zu Fuß laufe ich zum Bund, dem „Park“ am Ufer des Huangpu
mit Blick auf das Geschäftsviertel Pudong. Auf dem Rückweg durch die
Fußgängerzone werde ich von diversen chinesischen „Studentinnen“
angequatscht, die mich wahlweise in ihre Galerie schleifen, ihre
Englischkenntnisse mit mir vertiefen oder aber etwas mit mir trinken wollen.
Zufällig habe ich gerade gestern gelesen, was man davon halten soll, im
Endeffekt wird man in einen Laden geschleift, wo die Mädels in Windeseile
ein paar Getränke zu völlig überhöhten Preisen bestellen.
Abends gibt es eine kleine DVD-Session. Die geplante Pizza fällt allerdings
aus, da die anderen alleine bei meiner Erwähnung des Themas gequält schauen.
Das Brunchen schien gut gewesen zu sein.
Montag, der 28.11.2005
Die Einträge unter der Woche werden kurz ausfallen. Viel Zeit bleibt nicht.
Mein Wecker klingelt morgens um 6 Uhr (unverschämt früh!). Ein gemütliches
Frühstück ist nicht drin, da der Bus um 6:40 losfährt. Nach einer
dreiviertel Stunde Fahrt sind wir am Werk und die Arbeit kann beginnen. Wir
sitzen zu acht im Büro, darunter mein deutscher Abteilungsleiter und ein
Kollege aus Gifhorn, die restlichen sind Chinesen. Die Arbeitsplätze sehen
nicht so aus, wie ich das in Arbeitswissenschaften mal gelernt habe (oder
zumindest haben sollte, war nicht gerade mein Lieblingsfach…). Der Begriff
ergonomischer Bildschirmarbeitsplatz wurde da aber anders definiert, soviel
weiß ich noch. Und die lustigen Dinge, die mein Abteilungsleiter in ein paar
Kaffeetassen züchtet, wären ein Fall für den Kampfmittelbeseitigungsdienst.
Aber das kenne ich ja noch aus dem Studium. An dieser Stelle einen Gruß an
alle DUESEN-Schorses! (Der Vorschlag, die Kaffeetassen unten in der
Werkstatt ausdrehen zu lassen wurde übrigens abgelehnt, sie sind in den Müll
gewandert; oder selber hineingesprungen?)
Mittags gehen wir in der Kantine essen. Es gibt für die Langnasen eine etwas
gemäßigte Kantine, die Auswahl besteht meistens aus Reis mit Fleisch und
Gemüse in brauner Sauce, Reis mit Fleisch und Gemüse in roter Sauce, oder
Reis mit Fisch und Gemüse in heller Sauce. Was für Fleisch oder Gemüse drin
ist, spielt kaum eine Rolle. Aber es gibt Muffins, von denen ich immer noch
zwei abstaube, um den Nachmittag zu überstehen.
Um 18 Uhr fährt der Bus dann wieder zurück, wobei die Rückfahrt je nach
Verkehrsdichte auch mal anderthalb Stunden dauern kann.
Mittwoch, der 30.11.2005
Heute Abend kam irgendjemand auf die Idee griechisch essen zu gehen. Ein
Kollege riet uns noch ab, aber wir waren nicht davon abzubringen. War
eigentlich auch essbar, allerdings nicht ganz das, was man sich in
Deutschland von einem Griechen erwartet. Und Markus war der Meinung, dass
die Schweinefiletstücke doch verdächtig klein waren. Entweder es war ein
verdammt junges Schwein, oder…. Nein, ich denke nicht mal drüber nach...
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