Januar 2006
Sonntag, der 01.01.2006
Mein guter Vorsatz für das neue Jahr könnte lauten: Nie wieder Alkohol. Das
letzte Bier war wohl nicht so ganz in Ordnung, jedenfalls geht heute gar
nichts mehr.
Dienstag, der 03.01.2006
Heute ist mal wieder Fakemarkt angesagt. Da es in der Woche ist und das
Wetter mies und regnerisch ist sehr wenig los. Umso schlimmer stürzen sich
alle Chinesen auf mich, wenn ich mal um die Ecke komme. Irgendwann wird es
einem echt lästig, wenn sie einen immer irgendwo hin lotsen oder einem
irgendwas aufschwatzen wollen. im Anschluss schaue ich noch bei einem
Blumenmarkt in der Nähe vorbei, da ein etwas Grün im Appartement nicht
schaden könnte. Hier gibt es ganz viele wunderschöne, riesig große
Orchideen. Da ich nicht unbedingt mit dem grünen Daumen ausgestattet bin und
bezweifele, ob Temperatur- und Lichtverhältnisse in meinem Domizil dafür
geeignet sind, entscheide ich mich für etwas pflegeleichteres. Was mir noch
fehlt, ist ein Palm, in dem ich Termine fürs Blumen gießen eintragen kann,
wie das an der Uni jemand gemacht hatte. Ein Punkt mehr auf meiner
Einkaufsliste.
Donnerstag, der 05.01.2006
Da wir unseren gestrigen Stammtisch nicht gemacht haben, ist heute mal
wieder Jenny's angesagt. Mit dem Kickern wird es immer besser, gegen einige
der Bedienungen kann ich schon bestehen. In China kommt es ja häufiger vor,
dass in einer Bar oder in einem Restaurant die Zahl des Personals die der
Gäste deutlich übersteigt. Auf dem Rückweg im Taxi kann ich einen Kollegen
schwer beeindrucken. Er will gerade die obligatorische Visitenkarte unserer
Appartementanlage zücken, als ich dem Taxifahrer einfach die Adresse sage.
Der Taxifahrer versteht mich auf Anhieb (dabei habe ich doch gar nicht so
viel getrunken, und Alkoholkonsum macht die chinesische Aussprache
bekanntlich um einiges leichter...). Als der Taxifahrer mich dann in ein
Gespräch verwickeln will, muss ich mir jedoch eingestehen, dass meine
Chinesischkenntnisse eher rudimentär sind und kann nur mit den Achseln
zucken.
Samstag, der 07.01.2006
Nach einer Woche mit ekelhaftem Regenwetter scheint endlich mal wieder die
Sonne. Es ist zwar etwas kälter geworden (über Nacht hat es wieder
gefroren), aber mit Sonnenschein lässt sich auch das aushalten. Mit Thomas
ziehe ich zum Stoffmarkt, wo er sich einen Mantel abholen will, den er
letzte Woche in Auftrag gegeben hat. Hier kann man für kleines Geld Hemden,
Anzüge, Mäntel, Jeans und was man sonst noch so braucht nähen lassen. Man
sucht einen Stoff aus und kann in einem Katalog einen Schnitt auswählen oder
seine Lieblingsjeans als Muster hingeben. Irgendwie kann ich mich noch nicht
entscheiden, aber hier werde ich noch einiges ordern. Nebenbei fangen wir
an, uns Gedanken zu machen, wie wir das ganze Zeugs von hier irgendwann
wieder nach Deutschland schicken. Ob ein Container da noch ausreicht?
Vielleicht sollten wir unsere Auslandszulage in Schiffsbeteiligungen
investieren?
Im Anschluss bummeln wir durch die Altstadt. Gab es auf dem Stoffmarkt noch
einige Langnasen, so ist dieser Bereich nur von Chinesen geprägt. An der
Straße reiht sich eine Garküche an die andere. Fasziniert schaue ich mir die
unterschiedlichen Gericht an, auch ein improvisierter Dönerstand (bei dem
der Spieß von Hand gedreht wird) sieht spannend aus, aber irgendwie traue
ich mich nicht an die Sachen ran. Zumal an der Ecke zuvor einige
Schweinehälften einfach auf dem Gehsteig lagen. Okay, bei Temperaturen um
die Null Grad mag das zwar gut gekühlt sein, aber irgendwie finde ich da
doch etwas unhygienisch. Zugegeben, in manchem Restaurant wird es in der
Küche nicht anders aussehen, aber da weiß ich das wenigstens nicht!
Mit der Metro fahren wir zu Decathlon (große französische Sportartikelkette)
um ein paar vernünftige Klamotten zu kaufen. Hier gibt es sogar Schuhe in
Größen über 44, auch einen Bereich mit Reitsportartikeln gibt es (fragt sich
nur, wo die entsprechenden Reitgelegenheiten sind, da herrscht noch
Nachforschungsbedarf). Für chinesische Verhältnisse sind die Preis natürlich
recht happig, im Vergleich zu Deutschland ist es aber immer noch günstig.
Auf dem Rückweg freue ich mich schon auf mein Appartement. Diese
Menschenmengen können einem mächtig auf den Wecker gehen. Überall wuseln
kleine Chinesen um einen herum, drängeln und schubsen. Klar ist es bei
diesen Menschenmengen oft eng, aber in Deutschland sind viele Menschen
immerhin in der Lage sich auch mal zu entschuldigen. Die Chinesen
bemerken das scheinbar nicht einmal mehr.
Dienstag, der 10.01.2006
Bei dem Mittagsessen (welches wir zur Abwechslung beim Chinesen um die Ecke
einnehmen, da uns die Kantine zum Hals raushängt) kommt der Vorschlag abends
doch eine Runde Ski fahren zu gehen. Ski fahren in Shanghai? Oh ja, auch
hier gibt es eine dieser tollen Skihallen, angeblich sogar die größte Asiens
(was mich zu der Frage brachte, wie viele Skihallen es in Asien geben
mag???). Wir also abends ins Taxi und los.. Dort angekommen werden wir
erstmal ausgestattet: Ein schicker Skioverall in den grausamsten Farben, die
in Europa vor 25 Jahren vielleicht in waren, sowie Handschuhe gibt es an der
ersten Station. Die nächste Ausgabe versorgt uns mit Skischuhen. Als das
Mädel mit Snowboardstiefeln ankommt, muss ich ihr erstmal verklickern, dass
ich einen blauen Zettel habe, was bedeutet, dass ich Ski fahren möchte.
Snowboarder haben rosa Zettel. Das habe ja ich sogar schon begriffen. Aber
wie sich gleich herausstellen wird, sind wir wohl die ersten/einzigen Kunden
an dem Tag, insofern hatte sie es vielleicht kurzzeitig verdrängt. Auch die
Skischuhe und Skier sehen so aus, als hätte sie ein Skiverleih vor 20 Jahren
aussortiert, aber na gut. In der Halle angekommen müssen wir erst ein paar
Meter laufen um dann auf einer fast ebenen Rolltreppe die mächtig lange
Auslaufzone hinter uns zu bringen. Dann ist es soweit Skier anschnallen und
ab in den Lift. Dieser besteht aus ein paar Tellern die einen an einer
umlaufenden Kette elendig langsam den Berg hinauf befördern. Gute 20 Minuten
nach Betreten der Halle sind wir das erste Mal oben. Nach der langen Fahrt
muss ja eine ebensolche Abfahrt folgen, denke ich mir - was natürlich
Wunschdenken ist. Keine Minute später stehe ich unten am Lift und stelle
Hochrechnungen an, wie viele Abfahrten wir in den gebuchten zwei Stunden
schaffen können. Wobei einige so heiß aufs fahren sind, dass sie einfach den
Hügel hoch laufen. Dies erweist sich als clevere Idee, da man so mindestens
doppelt so schnell wie der Lift ist. Außer uns sechs Langnasen ist die Halle
fast leer, zwei Chinesen, die zum Personal gehören sind noch unterwegs und
später kommen noch zwei Chinesinnen, die in der flachen Auslaufzone ein paar
Versuche starten. Der eine Angestellte konnte in der Tat ziemlich gut fahren
und hat mich mit einem Heli schwer beeindruckt. Ich fand den Schnee etwas
schwierig zu fahren, da er sehr tief war. Von Pulverschnee konnte da keine
Rede sein, man hatte eher das Gefühl, auf einer Sanddüne zu sein. Insgesamt
eine witzige Aktion, vor allem unsere Anfänger hatten eine Menge Spaß. Wenn
man jedoch Ski fahren kann, so langweilt man sich doch recht schnell.
Mittwoch, der 18.01.2006
Auf der Heimfahrt wählt der Fahrer eine alternative Route, statt über die
Autobahn kurvt er kreuz und quer durch die Stadt, was einige Kollegen mit
diversen Kommentaren quittieren. Wie sich herausstellt, war es aber eine
gute Wahl, wir sind nämlich schon um kurz nach sieben zu Hause, während der
andere Bus (welcher zeitgleich losfährt, wir sind inzwischen nur so viele,
dass einer von den kleinen Bussen nicht mehr ausreicht) erst um acht
eintrifft. Anschließend ist mal wieder Jenny's angesagt. Nachdem ich zwanzig
Minuten im Regen ein Taxi gesucht habe, bin ich kurz davor nach Hause zu
gehen, als ich doch noch eines mit dem Freizeichen sehe. Ein paar Bier und
Kickerpartien später breche ich auf, um mich mit ein paar Kollegen zum
Zappeln im Zapata's zu treffen. Die anderen wollen auch los und während ich
zu Fuß weiter ziehe warten sie auf ein Taxi. Wie ich am nächsten Morgen
erfahre, war das ein langes Warten, so dass sie nach einem Weilchen Warten
wieder zu Jenny's rein sind. Zu manchen Stoßzeiten und auch bei Regen kann
es ziemlich schwierig sein, ein Taxi zu bekommen.
Samstag, der 21.01.2006
Da bald ein Termin ansteht, ist heute auch bei mir Samstagsarbeit angesagt.
Abends ist anlässlich seines Geburtstages noch eine kleine Feier bei einem
Kollegen (zur Feier des Tages bekommt er ein paar Hühnerfüße geschenkt,
lecker). Ansonsten ist das Restwochenende eher ruhig, was auch ganz gut ist,
zumal die nächste sechs-Tage-Woche ansteht. Schließlich müssen wir für die
Frühlingsfestwoche vorarbeiten, mit dem einzigen Haken, dass wir vermutlich
auch in der eigentlich freien Woche arbeiten müssen. Termine, Termine...
Samstag, der 28.01.2006
Auch heute ist wieder arbeiten angesagt. Es steht nämlich das chinesische Neujahrsfest an, und damit
die Chinesen da eine freie Woche haben, es aber nur drei offizielle Feiertage sind, müssen zwei Tage
vor- bzw. nachgearbeitet werden.
Abends stürzen wir uns ins Nachtleben um mitzuerleben, wie die Chinesen Neujahr feiern. Nach kurzem
Aufwärmen bei Jenny's geht es weiter zu einer der Partymeilen Shanghais, der Mao Ming Nanlu. Während des
ganzen Abends kracht es auf den Straßen recht heftig. Was Feuerwerk angeht, so sind die Chinesen doch um
einiges extremer. Desöfteren kommt es vor, dass nach einem ordentlichen Böller erst einmal sämtliche
Alarmanlagen der umstehenden Autos losheulen. Um kurz vor zwölf gehen wir aus dem Club raus auf die Straße
und dort geht es wirklich extrem zu. Man fühlt sich wie im dritten Weltkrieg, die Lautstärke ist unbeschreiblich,
an Verständigung ist nicht zu denken. Die Chinesen fahren dicke Böller, die in zwei Phasen
zünden, auf: Die erste Phase katapultiert den Böller in fünf Meter Höhe (sofern man ihn richtig herum
hingestellt hat), wo dann der zweit Sprengsatz zündet. Auf der Straße stehen Batterien von der Größe einer
Getränkekiste, die ununterbrochen Feuerwerk in den Himmel schießen. Nicht zu vergessen die Teppiche: Riesendinger,
teilweise mit mehreren tausend Krachern, werden wie Feuerwehrschläuche ausgerollt und sorgen minutenlang für
reichlich Krach. Ein bisschen Munition haben wir mitgebracht, aber der Besitzer eines Ladens versorgt uns auch sehr
großzügig und freut sich wie ein Schneekönig, dass wir seine Böller verpulvern.
Später ziehen wir noch ins Windows Too, wo ein Kollege ein sehr interessantes Gespräch mit einer Chinesin hat.
Diese hat nämlich einige russische Mädels im Schlepptau, die kein Wort Englisch können und auch nicht zum
Vergnügen hier sind, oder, um es genauer zu sagen, nicht zu ihrem eigenen Vergnügen...
Dienstag, der 31.01.2006
Eigentlich wäre diese Woche wegen des chinesischen Neujahrfests ja komplett frei, aber auch nur eigentlich. Wegen eines Termins
nächsten Montag müssen wir noch ein paar Ergebnisse produzieren. Da die chinesischen Kollegen nicht arbeiten,
herrscht im Büro angenehme Ruhe. Die Kantine ist natürlich auch zu und so müssen wir mittags essen gehen, wobei es gar
nicht mal so einfach ist ein Restaurant zu finden, dass nicht geschlossen ist.
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